35 Jahre Weltladen Bad Kreuznach

Die Aktiven des Weltladens

Der Weltladen ist seit über 35 Jahren Teil der Stadt Bad Kreuznach. Ein respektabler Zeitraum, bedenkt man die zahlreichen Umzüge, die der Laden bereits hinter sich hat. Und umso bemerkenswerter in Anbetracht der Tatsache, dass die Existenz des Ladens auf eine Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter zurückzuführen ist, die ihr Herzblut in die Realisierung und Aufrechterhaltung des Projekts „Weltladen“ steckten und teilweise immer noch stecken.

Die Geschichte des Weltladens begann am 26. Juni 1975 mit der Gründung des „Aktion 3. Welt e.V.“, einem Verein, der sich engagiert für:

  1. Die Förderung entwicklungspolitischer Bildungsarbeit durch die Unterhaltung eines Informationszentrums und die Durchführung von öffentlichen Veranstaltungen.
  2. Die Unterstützung von Entwicklungsprojekten.
  3. Die Beratung von Flüchtlingen.
  4. Den Verkauf von Erzeugnissen gemeinnütziger, mildtätiger, sozial-karitativer und genossenschaftlicher Institutionen, die in Entwicklungsländern produziert wurden.

Der Verein wählte im August 1979 seinen ersten Vorstand mit dem Bad Kreuznacher Pfarrer Michael Henke als Vorsitzendem und Sigried Dose als Stellvertreterin. Seither gab es diverse Wechsel im Vorstand um eine erfolgreiche Weiterführung des Ladens stets zu gewährleisten. Als Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende folgten: Margit Reuter (1983), Gundi Weller und Annette Stambke (1996), Sigrid Stephan und Beate Thomas (1997), Margarete Patt (1998), Waltraud Hild und Wilfried Kurz (2006), Traute Wiemann (2012, bis heute aktiv) und schließlich Karin Bitter und Ilse Rapp, welche bis heute als Vorstand tätig sind.

Die ehemalige Vorsitzende Sigrid Stephan (links) und ihre Nachfolgerin Waltraud Hild

Abbildung 1: Die ehemalige Vorsitzende Sigrid Stephan (links) und ihre Nachfolgerin Waltraud Hild

Die Reise des Weltladens

Der erste 3. Welt-Laden in Bad Kreuznach

Abbildung 2: Der erste 3. Welt-Laden in Bad Kreuznach

Das erste Geschäft des Weltladens, damals noch „3. Welt Laden“, öffnete am 13. Oktober 1979 seine Pforten in der Engelsgasse 7. Es blieb jedoch nicht bei diesem Standort. Es folgten ein Umzug in die Kreuzstraße 67 und ein weiterer in die Baumgartenstraße 4. Während seiner Zeit in der Baumgartenstraße mussten die Mitarbeiter des Weltladens eine Krise bewältigen, welche den Weltladen kurz vor das Aus drängte. Zum einen beendeten zwei Vorstandsmitglieder nach jahrelangem Engagement überraschend ihre ehrenamtliche Arbeit. Zum anderen sollte das Haus, in welchem der Verein sein Geschäft unterhielt, verkauft werden. Hinzu kam ein Mangel an ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, was zu sehr begrenzten Öffnungszeiten von 20 Stunden pro Woche führte.

Der 3. Welt-Laden in der Baumgartenstraße Foto: isa. in: AZ 31.03.1995

Abbildung 3: Der 3. Welt-Laden in der Baumgartenstraße Foto: isa. in: AZ 31.03.1995

Nach diesen Rückschlägen sah es eine Zeitlang danach aus, dass der „3. Welt Laden“ seine Pforten schließen und das Projekt „Fairer Handel in Bad Kreuznach“ aufgeben müsse. Nach der Wahl eines neuen Vorstands und nach einigen außerordentlichen Mitgliederversammlungen fand man jedoch nach längerer Suche und hingebungsvollem Engagement in der Turmstraße neue Räumlichkeiten. Somit wurde der „3. Welt Laden“, welcher sich von nun an schlicht als „Weltladen“ bezeichnete, im September 1996 in der Turmstraße neu eröffnet. Der Verein konnte außerdem mit etwa 20 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen die Öffnungszeiten auf 24 Stunden in der Woche erhöhen, um seine fair gehandelten Produkte an die Kunden zu bringen.

Stolze 10 Jahre lang führte der Weltladen sein Geschäft in der Turmstraße und die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten stieg kontinuierlich an. Bald dachte man daher über eine Weiterentwicklung des Weltladens nach: Ziel war ein qualitativer Sprung, weg vom sogenannten „Jutetaschen-Image“ hin zum professionellen Fachgeschäft. In Zusammenarbeit mit dem neu gegründeten RegioMarkt Nahe e.V. sah man diese Chance zur Vergrößerung schließlich gekommen. In einer Mitgliederversammlung im Juni 2006 beschloss man, unter Mitwirkung der Vorsitzenden des RegioMarkts, Christel Born, gemeinsam Räumlichkeiten auf dem Diakoniegelände zu beziehen. Das Projekt wurde schließlich durch eine Investition in Höhe von 50.000 Euro ins Leben gerufen. Getragen wurde diese Investition neben dem Weltladen-Verein durch Kirchen und Spenden von Einzelpersonen und Sponsoren.

Mit vereinten Kräften und durch persönlichen Einsatz in der Renovierung und Einrichtung des neuen Standorts wurde das Projekt unter dem Motto „global und regional: fair“ schließlich verwirklicht. Das gemeinsame Ladengeschäft bot Produkte aus fairem Welthandel zusammen mit Produkten aus der Region unter einem Dach zum Verkauf an. Mit einem Zug durch die Fußgängerzone im Oktober 2006 verabschiedete man sich vom alten Laden und vom alten Image und bezog die neuen Räumlichkeiten in der Hans-Schumm-Straße. Mit Öffnungszeiten von 46 Stunden in der Woche konnte der Weltladen es nun auch mit konventionellen Ladengeschäften aufnehmen. Der neue, gemeinschaftliche Laden feierte seine Eröffnung am 4. November 2006 und stellte sich als großer Erfolg mit Nachahmern in weiteren Städten in Rheinland-Pfalz heraus.

Der Gemeinschaftsladen von Weltladen und RegioMarkt

Abbildung 4: Der Gemeinschaftsladen von Weltladen und RegioMarkt

2009 konnte der Verein schließlich nach 30 Jahren Weltladen in Bad Kreuznach ein von 20 ehrenamtlichen MitarbeiterInnen unterstütztes, florierendes Ladengeschäft mit dem RegioMarkt und eine Produktpalette von ca. 1500 Artikeln sein eigen nennen. Darüber hinaus setzte der Verein seinen Fokus nun auch verstärkt auf Informations- und Bildungsarbeit, um mehr Bewusstsein für verantwortungsvollen Einkauf zu schaffen. Unter Mitwirkung von Schülern des Lina-Hilger-Gymnasiums und des Römerkastells veranstaltet der Verein regelmäßig konsumkritische Stadtrundgänge, die den Teilnehmenden ein Bild vom Angebot an fair gehandelten Waren in bekannten Bad Kreuznacher Geschäften vermittelt. Gleichzeitig sollen die Stadtrundgänge die Konsumenten zu einem bewussteren, nachhaltigeren Einkaufsverhalten animieren.

Der Abbau des Marktplatzes der Nachhaltigkeit und die damit verbundene Kündigung der Räumlichkeiten durch die Diakonie im Juni 2012 gaben den Anstoß, einen neuen Standort zu suchen. Eine Mitgliederentscheidung ergab: der Weltladen sollte zurück in die Innenstadt. Sehr zur Freude des Vereins bot sich die Chance, ein Geschäft im historischen Brückenhaus in der Mannheimer Straße 90 zu beziehen. Die höhere Miete nahm der Verein in Kauf, da man am neuen, zentralen Standort auf die Erschließung neuer Zielgruppen und mehr Laufkundschaft in Form von Kurgästen, Touristen und Marktbesuchern hoffte. Seit dem Umzug im Mai 2013 befindet sich der Weltladen nun als Fachgeschäft für fairen Handel an seinem heutigen Standort. Rund 30 MitarbeiterInnen engagieren sich derzeit ehrenamtlich für gerechte Handelsbeziehungen in der globalisierten Welt.

Der Weltladen im Brückenhaus in der Mannheimer Straße 90

Abbildung 5: Der Weltladen im Brückenhaus in der Mannheimer Straße 90

 

Die politische Idee und die Produkte des Weltladens

Die in der Vereinssatzung festgelegten Ziele des Weltladens sind auch heute noch, 35 Jahre nach der Gründung, die Leitsätze der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Mittelpunkt steht nach wie vor die Unterstützung des Fairen Handels und die Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu diesen Themen. Es vollzog sich allerdings über die Jahre hinweg ein Wandel bezüglich des Schwerpunkts des Weltladens. So war der Warenverkauf in den Anfangsjahren nur ein Nebenaspekt der vom Verein „Aktion 3. Welt“ gehegten Absichten. Beeinflusst durch die Mentalität der 68er-Bewegung war eine Gruppe von Aktiven bereits seit 1971 im Bereich Entwicklungsarbeit in Bad Kreuznach tätig. Mit der Eröffnung des ersten „3. Welt“-Ladens schuf man sich 1979 einen Ort, der vorrangig als politischer Treffpunkt und Infostelle für Interessierte diente. Ziel war es in erster Linie über die Situation in den sogenannten „Entwicklungsländern“ aufzuklären und über Projekte in solchen Ländern zu informieren. Da man zu diesem Zeitpunkt ohne jegliche Spenden auskommen musste, diente der Warenverkauf in erster Linie zur Finanzierung des Treffpunkts und regelmäßiger, politischer Aktionen. Dazu gehörten unter anderem Infoabende mit Vorträgen, Dia- und Filmvorführungen, gehalten von Entwicklungshelfern, die die Produktionsländer besuchten und ihre Eindrücke von dort weitergaben. Mit der Zeit und über wechselnde Vorstände hinweg verschob sich der Schwerpunkt des Weltladens, weg von einem politischen Treffpunkt, hin zum Warenverkauf. Interessierten bietet sich jedoch nach wie vor die Möglichkeit sich im Weltladen über die Grundsätze des fairen Handels zu informieren und informiert zu werden. Ebenso gehören politische Aktionen weiterhin zum Engagement des Weltladens.

Im Juni 2014 erhielt der Weltladen Bad Kreuznach schließlich ein Zertifikat vom Weltladen-Dachverband, welches gewährleistet, dass die Standards des Fairen Handels weiterhin eingehalten werden. Vergeben wird dieses Zertifikat alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit der WFTO (World Fair Trade Organization) um sicherzustellen, dass die Weltläden stets im Sinne des Fairen Handels agieren. Fairer Handel beruht auf dem Prinzip, unseren Handelspartnern im globalen Süden ein existenzsicherndes Einkommen und damit ein menschenwürdiges Leben zu verschaffen. Um dies zu verwirklichen, setzen sich die Weltläden für garantierte Mindestpreise, transparente Handelsverträge und verlässliche, zukunftsorientierte Handelsbeziehungen ein. Unerlässlicher Bestandteil dieser Handelsbeziehungen sind die Handelsorganisationen, die eng mit den Weltläden zusammenarbeiten. Zu den wichtigsten dieser Handelsorganisationen gehören Gepa, El Puente, dwp und Globo.

Neben den Grundsätzen für Fairen Handel unterstützen die Weltläden zusätzlich Projekte, die in den Produktionsländern langfristig für Perspektiven sorgen. Dazu gehören Ausbau und Verbesserungen im Bereich der Bildung, der Gesundheit und der Infrastruktur, aber auch der Einsatz für ein Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit und für die Stärkung der Rechte von Frauen. Darüber hinaus stellen die Handelsorganisationen, mit denen der Weltladen kooperiert, Mittel und Wissen zur Erhöhung der Produktqualität und zur Umstellung auf biologischen Anbau bereit.

Die Produktpalette des Weltladens in Bad Kreuznach umfasst derzeit 23 verschiedene Kaffee- und 40 Teesorten. Dazu kommen Kakao, Zucker, Schokolade und weitere Süßigkeiten von einer Vielzahl von Herstellern. Eine Besonderheit im Bad Kreuznacher Weltladen stellen die „Bad Kreuznacher Schokolade“ von Zotter und der Café Cruzenia dar. Beide entstanden im Zuge der Ernennung der Stadt Bad Kreuznach zur 140. „Fairtrade Stadt“ in Deutschland und würdigen das Angebot und die Verwendung fair gehandelter Produkte in Einzelhandel, Gastronomie, Kirchen, u.a.

"Bad Kreuznacher"-Schokolade von Zotter

Abbildung 6: „Bad Kreuznacher“-Schokolade von Zotter

Café Cruzenia

Abbildung 7: Café Cruzenia

Dazu kommen viele weitere, größtenteils biologisch hergestellte Produkte aus dem Lebensmittelbereich, aber auch ein breites Spektrum an Waren aus dem Kunsthandwerk. Hierzu gehören u.a. Lederwaren, (Silber-)Schmuck, Kunstgegenstände aus Speckstein, Körbe, Tragetaschen, Schals, Musikinstrumente und zahlreiche, geschickt in Handarbeit gefertigte Gegenstände aus Recycling-Material.

Aktionen, Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit

 

Abbildung 8: Bad Kreuznacher Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer (links) und Bildungsreferent Karsten Levsen (Mitte) während eines konsumkritischen Stadtrundgangs

Neben konsumkritischen Stadtrundgängen richtet der Weltladen eine Reihe weiterer Veranstaltungen zu den Themen Fairer Handel und soziale Gerechtigkeit aus. Dazu gehören Informationsveranstaltungen mit ProduzentInnen, wie z.B. Reis-, Kaffeebauern oder Textilherstellern, Bildungs- und Unterrichtseinheiten für SchülerInnen an Grund- und weiterführenden Schulen sowie regelmäßige Besuche von Konfirmanden- und Firmlingsgruppen, MitarbeiterInnen-Schulungen und Filmabende zu aktuellen Themen.

Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle das Engagement von Bildungsreferent Karsten Levsen, der sich seit 2011 regelmäßig im Bereich der Bildungsarbeit einsetzt. Hinzu kommt die seit 2012 andauernde Zusammenarbeit mit dem ELAN (Entwicklungspolitisches Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz), dessen Gelder die Bildungseinsätze in den Schulen und Jugendgruppen ermöglichen. Letztlich zu erwähnen ist eine langjährige und enge Kooperation mit Kirchen- und Pfarrgemeinden vor Ort und in Nachbargemeinden, die regelmäßig Kommissionswaren für Gottesdienste, Gemeindefeste, u.ä. beziehen.

Für eine Übersicht vergangener Veranstaltungen, besuchen Sie den Weltladen im Internet auf: www.weltladen-bad-kreuznach.de

Andreas Winter, B.A. (Ethnologie und Afrikastudien)