Eröffnungsrede Andrea Manz, Kulturdezernentin:
Liebe Schülerinnen und Schüler,
liebes Weltladen-Team
sehr geehrte Damen und Herren!
Ich begrüße Sie herzlich heute Morgen zur Eröffnung der Ausstellung „Zu vieel isst zu wnig“. Das Haus des Gastes setzt – wie die Stadt Bad Kreuznach – auf öko und fair. Im Mittelpunkt des Handelns und Handels steht der Mensch, umgeben von blattgrüner Natur und wasserblauer Luft, die einem Schluck Wasser gleichkommt.
Zum 18. Mal begeht der Weltladen heute den europaweiten Weltladentag und gleichzeitig den internationalen Tag des fairen Handels. Der Aktionstag wird also heute volljährig. Angekommen ist der Weltladen schon lange inmitten Kreuznacher Gesellschaft und Geschäftswelt.
Bei der Vorbereitung zur Ausstellungseröffnung wurde mir bewusst, dass die Schülerinnen und Schüler, die sich im Unterricht mit dem Thema fairer Handel auseinandergesetzt haben, die Welt ohneWeltladen nie kennengelernt haben.
Für mich ist der Laden von jeher fester Bestandteil meines Einkaufsweges hier in der Stadt. Kaffee, Tee, Kakao, Honig, Gewürze, Zucker, Fruchtsäfte und getrocknete Früchte, dazu Kunst-Handwerk aus vielen entfernten Ländern dieser Erde, Keramik, Körbe, Taschen, Musikinstrumente, Dekorationsfiguren, Kinderspielzeug, Tücher, Papierarbeiten, Schmuck, und vieles mehr. Und seit etwa 25 Jahren, das erinnere ich genau: Bananen.
Seit dem letzten Jahr ist Bad Kreuznach Fair-Trade-Stadt. Wer kann und will, der sollte fair handeln und fair konsumieren. Nunmehr nicht nur Privatpersonen, Kirchengemeinden, Schul-AGs, auch Restaurants, Handel und Betriebe sind zum Fairtrade aufgerufen. Auch die Stadtverwaltung lenkt ihr Augenmerk darauf.
Im Rahmen der Kampagne zur Fairtrade-Stadt haben Bad Kreuznacher Schülerinnen und Schüler Plakate und Bilder zum Thema entworfen; ihre Aquarelle und Collagen laden zu einem nachhaltigen Rundgang ein und werben für unsere Stadt. Denn: Auf diesen Nahebrücken kommt die Welt zusammen:
Brücke samt Brückenhäusern geraten nahezu ins Wanken vor lauter FairTrade: die ganze Welt steckt in einem Sack voller Kaffee.
Der Kaffeeduft unter den Brückenbögen taucht die Häuser obenauf in vielfältige bunte Muster, selbst der Himmel ist durchwoben von prächtigen Zierborten, wie Webstücke aus Lateinamerika.
Zu Füßen des FairTrade-Hauses schwappt munter die faire Siegel-Welle, fast meint man, sie würde winken.
Dort, wo man nun im neuen Domizil des Weltladens die Aussicht auf den Mühlteich genießen kann, entspringt dem Brückenbogen nicht die Schirmbar, sondern ein beschirmender Baum. Ein afrikanischer Kopf balanciert die original orange Welt-Tasse, aus der der Kaffee gleich nochmal so gut schmeckt. Die Größe der Tasse hat es in sich, nämlich ein wirklich gute Portion.
Der Wink mit der Schote für die Schokoladenliebhaber: Auch Schokolade goes fair – und lecker.
Café Cruciniacum – ähnlich einer afrikanischen Ebenholzschnitzerei weist das Schild den Weg zur Tasse. Prägnant und schlicht – und preiswürdig!
Die 6. Klasse des Gymnasiums am Römerkastell hat sich der Vielfalt gewidmet: der Vielfalt an Menschen, den farbenfrohen Stoffmustern ihrer Kleidung, der Fülle an Produkten, die in kleinbäuerlichen Betrieben, Genossenschaften, durch Handwerker, Plantagenarbeiter,Kleinfirmen und Selbsthilfegruppen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas geschaffen werden. Man beachte: Stemmt frau den riesigen Korb auf dem Kopf nur mit einer Hand, purzelt der Segen wie aus einem Füllhorn hernieder! Balance gehört auch zu den Schlüsselworten für fairen Handel.
Kraft, nein, Kaffee schöpfen am Nahestrand, beschert eine rotgüldene Sonne – mit dem exquisiten Goldpunkt.
Aromatisch anmutende Kaffeekrüge präsentiert die Schöne. Was sie wohl mit dem Speer an der Nahe erjagt hat? Zumindest das FairTrade-Siegel als leuchtenden Schmuck – und eine Auszeichnung als einer der besten Beiträge des Wettbewerbs.
Aus der Weltkugel entschlüpft ein blaugrünes, einander zugewandtes Paar, in angedeuteter Umarmung – der dritte Preis des Wettbewerbs.
Ensemble – together – gemeinsam
Ein leuchtender Kern in blauer Hülle – die Zelle keimt, gar wundervoll geformte Viren breiten sich aus – mögen sie viele infizieren!
„Wir“ sind viele Köpfe, „wir“ sind zackig, wir sind eins – in weicher Rundung.
Die eine Welt im Kopf – rückt alles näher zusammen. Sogar die Kontinente? (was natürlich die Transportwege erheblich verkürzen würde…) Grow together – wachst zusammen: ja, rückt näher. Grow together: Wachst zusammen – lernt voneinander, bildet euch fort!
Ja, was wäre die Welt ohne sie – ohne ihre wärmende Wolle, ihre Milch, ihren Käse, ihr Fleisch, ihre rasselnden Hornhufe? Bedenkt die Schafe in der Partnerschaft!
Zwei Fäuste, die zum Kräftebeweis antreten? Nein, kein Armdrücken, hier ist es der feste Händedruck, der Großes aushalten und Gemeinsames halten kann.
Soweit die Kreuznacher Impressionen zur „Einen Welt“. Da ist eine gute Saat gelegt worden, möge sie keimen und prächtig gedeihen. Mein herzlicher Dank gilt Christoph Schäfer, Anna Joerg, Carolin Maurer, Julia Krajinovic, Kathrin Markheim, Clara Evers, Julia Schmitz, Patricia Käfer und Frau Djahankhani vom Lina-Hilger-Gymnasium. Emilie Dandy, Victoria Sulzbach, Leah Beitke,.Tom Deutscher, Fabienne Emrich, Amelia Frick und Frau Stolle d’Silva vom Gymnasium am Römerkastell sowie Anna Dill, Jasmine Findeisen, Victoria Langer, Kathrin Buchmann, Christina Rieß, Georgia Petrou und Frau Hoffmann vom Gymnasium an der Stadtmauer.
Noch einmal zurück zum Tagesthema: „Zu vieel isst zu wnig.“ Nicht nur sprachlich wahrhaft eine Herausforderung. „Vieel“ bläht sich mehr und mehr auf, „wnig“ deutet nicht nur an, dass die Tagesration nicht reicht, sondern macht auch bewusst, dass beim täglichen Essen nicht von Genuss – nicht einmal eines langen gedehnten „e“ – die Rede sein kann.
„Die Gesellschaft setzt sich aus nur zwei großen Klassen zusammen: die einen haben mehr Mahlzeiten als Appetit, die anderen weit mehr Appetit als Mahlzeiten.“
Dieses Zitat stammt nicht aus unseren Tagen – nein, Nicolas Chamfort kommentierte so die Verhältnisse in Frankreich zur Zeit der Revolution.
Die einen wissen nicht, was sie essen sollen, und die anderen nicht, wann und wie sie alles essen sollen. Beides ist der Gesundheit abträglich.
Über eine Milliarde Menschen hungern weltweit. Durch Auslaugung von Böden, dank teurer Hybridsaat und schlicht unbezahlbarer Chemie anstelle von altbewährten Aussaaten, und nicht zuletzt bedingt durch den Klimawandel sind die Aussichten trotz aller technologischer Fortschritte, trotz hehren Millenniumszielen alles andere als rosig.
Zu vieel isst zu wnig – ja, zu viele Menschen auf unserer Erde haben unzureichende tägliche Essensrationen zur Verfügung.
Viel Einsatz und Eifer für zu wenig Ernte? Nicht unbedingt, aber für zu wenig Anteil an Ertrag und somit zu wenig Erlös für Lebensnotwendiges wie z.B. Essen. Dem Profit weniger steht der karge Lohn vieler gegenüber.
Aber es ist auch eine Frage der Prioritäten: Zuviel Ernteflächen für den Anbau von Futtermitteln für die Fleischproduktion oder sogenannte „Energiepflanzen“ beanspruchen den Raum, der ebenso einer Ernährung vor Ort dienen könnte.
Zuviel ist zu wenig: Auch mit einem „S“ ergibt das Motto einen Sinn: Zu viele Konsumenten brauchen täglich das gleiche Standardsortiment im Kühlschrank, im Topf und auf dem Tisch, egal, woher es kommt. Die unendliche Vielfalt an Lebensmitteln, die wir heute dank weltumspannender Einkaufsketten genießen dürfen, lassen vergessen, wie umweltschonend und klimaneutral produziert und verzehrt werden kann: Wer weiß denn noch, wann der Spargel schießt, wann Erdbeeren wirklich ihr volles Aroma entfalten. Wer weiß denn noch, wann Himbeerhütchen vollreif in die Hand plumpsen oder gar, dass Rosenkohl am dicken Stängel wächst und sich zudem noch aufbewahren lässt? Und es sind wahrlich nicht nur Kinder, die in der Fußgängerzone nachfragen, welch ein grünes Ding Sie im Rucksack nach Hause tragen.
Die einen sind auf günstige Grundnahrungsmittel angewiesen, damit die Familie vom geringen Lohn ernährt werden kann. Die anderen setzen auf „Geiz ist geil“ und geiern auch bei Lebensmitteln nach jedem Cent, fast egal, auf welchen Produktionswegen die Schnäppchen zustande kommen. Auch der Kaffee, dessen Ertrag den Tagelöhner nur notdürftig am Leben hält oder der von Kinderhand gepflückt wurde, duftet aromatisch – das Elend, das sich vielleicht dahinter verbirgt, schmeckt man nicht.
Das Blut der vielleicht tausend Arbeiterinnen und Arbeiter in Bangladesh, die auch für Ladenketten hier in Deutschland Kleidung in allen Größen nähten und die dieser Tage wiederum beim Einsturz eines Fabrikgebäudes ums Leben kamen, dieses Blut klebt nicht an Jeans und T-Shirts zum Dumpingpreis. Von der Chemie, die in Stoff und Arbeiterinnen steckt, gar nicht zu reden.
Es braucht Klarheit, Wahrheit und Erkenntnis, um die Zusammenhänge zu sehen.
Es braucht Vernunft, um abzuwägen.
Ja, und es braucht ein bisschen Geld, um einzugreifen.
Geld, das Mehrwert bedeutet. Geld, das Zinsen trägt:
Mehrerträge aus fairem Handel kommen zugute –
Sozialprojekten, Bildungsprogrammen, als ökologische Investitionen.
Es braucht nicht viel, es braucht einfach nur – Menschen.
Mein herzlicher Dank an Ilse Rapp und das gesamt Team des Weltladens Bad Kreuznach
Auf einen guten Einstand im Brückenhaus – im und in den Herzen unserer Stadt!
11.05.2013